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Trend: Urban Gardening – Grüne Oasen inmitten der Stadt

Sind Bauerngärten und grüne Wohlfühloasen nur den Bewohnern auf dem Land vorbehalten? Städter hingegen haben mit Obst- und Gemüseanbau nur über Lektüren oder Dokumentationen Kontakt? Falsch. Ein neuer Trend erfasst Deutschlands Großstädte. Das “Urban Gardening“ ist gerade der grüne Renner bei Hobbygärtnern, Stadtfamilien und ökologischen wie auch trendbewussten Menschen. Das städtische Gärtnern verwandelt betonierte Hinterhöfe in kleine Bioplantagen und Horte des floralen Lebens. Auf Dachterrassen werden Salatköpfe angebaut, aus umgebauten Plastikrohren werden Kräutersäulen kreiert. Das Thema des nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen, Essen und Trinken, ist zurzeit in vieler Munde. Nahrungsmittelskandale und undurchsichtige Lebensmittel-Herstellungs-Prozesse fördern das Bewusstsein hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer Natur. Das Urban Gardening hat bei dieser Bewegung die unterschiedlichsten Facetten und Hintergründe.

Ursprung und Geschichte

Seinen Ursprung hat das heutige urbane Bepflanzen in einer Form des ökologischen Protestes aus den 1970er Jahren. Seine Wurzeln (wie passend) hat diese Bewegung aus Großstädten wie New York. Provokanterweise nannte sich dieser Aufstand gegen bestimmte gesellschaftliche Formen und Ansichten: Guerilla Gardening – eine schnelle Methodik, Interessen, möglichst direk und aussagekräftig zu platzieren. Diese Flower-Power Bewegung wurde am 1. Mai 2000 in London unter großem öffentlichen Interesse wiederbelebt. Eine Gruppe aus Umweltaktivisten, bewaffnet mit Spaten, Muttererde und Pflanzensetzlingen, besetzte den verkehrsreichen Parliament Square und forderte auf Bannern und Schildern die Rückeroberung von Straßen und öffentlichen Plätzen. In Folge dieser Aktion gruben die Aktivisten den Boden um und bepflanzten diesen mit Gemüse und Blumen.

Umwelt, Politik, Protest

Im Laufe der Jahre gab es immer wieder ähnliche Aktionen, um auf soziale oder gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen. Zu den Waffen der “Grünen Krieger“ gehörten unter anderem auch “Samen-Bomben“. Diese Packungen gefüllt mit Pflanzen-und Gemüsesamen verteilten das Saatgut in komprimierter Form auch an schlecht zugänglichen Stellen wie Mauerspalten und Bordsteinfugen. Beliebter Ausdruck verschiedener politisch motivierter Proteste war auch die Aussaat passender Pflanzen wie zum Beispiel Reis, um auf Hungersnöte aufmerksam zu machen oder die Bepflanzung in Form eines Friedenssymbols. Eine artenreiche Saat von Samen galt auch als Sinnbild gegen Monokulturen und für den Artenreichtum – übertragen auch auf rassistische Themen.

Vom radikalen Protest hin zum gemäßigten Lebensgefühl

Heutzutage hat sich aus der einst radikalen Bewegung und Protestkultur eine Art von nachhaltigem Lebensgefühl entwickelt. Vielen Menschen sind der weitsichtige Umgang und die Nähe zur Natur sehr wichtig. Gerade das Vorkommen an freien, natürlichen Flächen ist in den Städten oft arg begrenzt. Dieser Mangel hebt gleichzeitig das Bedürfnis nach einem Ausgleich, denn gerade viele “Städter“ sind oftmals sehr ökologisch eingestellt und haben leicht Zugang zu unkonventionellen Gestaltungsmaßnahmen. Ein weiterer Punkt ist sicher auch die Ballung der Menschen in Städten und Arbeitszentren, welche sinnbildlich für die Versorgung und Ernährung für die Bevölkerung steht. Das turbulente und oftmals hektische sowie auch unkontrollierbare Stadtleben entspricht dem Zeitgeist wirtschaftlicher und kommerzieller Interessen. Das Problem mangelnder Transparenz und nicht nachvollziehbarer Herstellungsprozesse ist sicher ein Beweggrund Obst und Gemüse selbst anzubauen. Biosupermärkte bedienen die Bedürfnisse nach Qualität und den Wunsch der Natur wieder näher zu kommen. Während die Arbeit, Transportwege und Transportmittel immer mehr von unserer Zeit abverlangen, wird der innerliche Protest des Individuums größer und stärker. Es verlangt nach Ausgleich, nach Ruhe, Achtsamkeit und zur Umkehr zu alten Werten und Tugenden. Da gehört der Anbau von Lebensmitteln auch dazu.

Urbane Anbauflächen

Grüne Anbauflächen und fruchtbare Böden gibt es in Städten selten (auf dem Land leider auch kaum noch). Die Städte wachsen immer mehr in die Höhe als in der Fläche. Daher dienen Balkone, Terrassen und flache Dächer als brauchbare Agrar-Bewirtschaftungsplätze der Städter. Oft ist der Platz sehr begrenzt, lang gezogene Gemüsebeete oder Bauerngärten mit Blumen, Kräutern und Bodenfrüchten, sind kaum realisierbar. Alternativen bieten Blumenkübel, Pflanzkästen oder selbst gebaute Hochbeete. Eigentlich eignet sich fast alles, worin man Erde und Samen füllen kann. Gewöhnungsbedürftig sind dabei Beispiele wie: Turnschuhe, alte Einkaufskörbe oder Einkaufswagen. Tja, oftmals entspricht das nicht dem menschlichen Ausdruck für Ästhetik, der Natur ist das dabei ziemlich “Wurscht” – Entschuldigung, ich meinte natürlich: Banane. Im ernst, es gibt viele Mittel und Wege auf engsten Raum ein Höchstmaß an individueller Effizienz zu erreichen, und dss mit eigenen Händen. Ein praktisches Beispiel unkonventioneller Anbautechnik ist die Bepflanzung von Kunststoffrohren aus dem Baumarkt. Versieht man diese mit kreisförmigen Ausschnitten, kann daraus eine durchaus taugliche Kräuterampel entstehen. Natürlich steht bei der Verwendung von herkömmlichen Kübeln kein Bruch der Methode im Sinn, dennoch zeichnet sich das Urban Gardening auch durch die Benutzung von unkonventionellen Gefäßen aus. Das passt gut zu dem scheinbaren Widerspruch: graue Städte – grüne Biotope.

Aufzucht und geeignete Gemüsesorten

Ein weiterer Vorteil der nicht erdgebundenen Bepflanzung äußert sich in der Flexibilität und Mobilität in facto Standort und Wettertauglichkeit. Blumentöpfe lassen sich schnell dem Wetter nach ausrichten, auch die Aufzucht oder Überwinterung von “Mehrjährigen“ ist prinzipiell recht unkompliziert möglich. Zu den beliebten Gemüsesorten, die für den eigenen Anbau sehr gut geeignet sind, gehören: Tomate, Gurke, Paprika, Zucchini, Aubergine, Kürbis, Radieschen, Karotten aber auch: Chillies – Feuerbohnen und natürlich die verschiedensten Sorten an Blattsalaten.

Öffentliche Anbaugärten und Kritik

Es gibt gerade im Bereich des Urban Gardening sehr viele mögliche Varianten des Anbaus und der Ausrichtung. Das Thema hat viel mit der Ökologie zu tun und in einigen Städten wie zum Beispiel in Berlin gibt es öffentliche Pflanzenanbauplätze. Gemüse und Salate werden in Kunststoffkisten angebaut wie sonst in Beeten üblich. Die Kundschaft kann sich saisonale Nahrungsmittel direkt vom Erzeuger einkaufen und über kurze Transportwege bei sich zu Hause verzehren. Es gibt sogar schon Restaurants, die sich auf ihren Dächern ihr eigenes Gemüse und vor allem Kräuter anbauen. Frischer kann der Verzehr kaum sein. Neben all den vielen positiven Aspekten und den Möglichkeiten, die der städtische Gartenanbau mit sich bringt, gibt es auch Schattenseiten und Risiken. Dazu gehört die Belastung durch Schwermetallen in der Luft – die durch den Ausstoß von Autos und Industrieanlagen verursacht wird. Aktuelle Studien weisen erhöhte Werte und zum Teil auch Grenzwerte von Belastungen auf. Das trübt natürlich den Spaß und die Gemeinschaft am städtischen Acker-Betonbau und ist ein nicht abzuweisender Schatten auf der ökologischen Sonnenseite der Biogärtnerei. Zum Glück ist dieser Aspekt vielen Gärtnern bekannt, diese wissen daher über wirkungsvolle Gegenmaßnahmen bescheid. Dazugehören: Ein Sicherheitsabstand von ca. 5-8 Metern zu stark frequentierten Straßen, außerdem die Zwischenpflanzung von Hecken oder Gebüschen, welche die Verunreinigung und die Schwermetallbelastung in der Luft filtert und reinigt. Ohne die Kritik abwerten zu wollen, ist aber gerade diese offensichtliche Transparenz ein Hinweis auf die Nichtnachvollziehbarkeit herkömmlicher Agrarwirtschaft und Gentechnik etc. von Nahrungsmitteln aus unseren Supermärkten und Diskountern.

Große Zusammenfassung und grünes Fazit

Das Urban Gardening ist ganz sicher eine spezielle und unkonventionelle Form der Gärtnerleidenschaft. Um in den Genuss von frischem Gemüse und Obst zu kommen, sind aber nicht zwingend große Gärten oder spezielle Gefäße erforderlich. Vielmehr ist es doch faszinierend, dass etwas so Elementares wie natürliche Nahrungsmittel für fast jeden zugänglich sein können. Ein wenig Geschick und das Vertrauen darin, das wächst was wachsen soll, sind Grundlage für das Gärtnern in der Stadt. Die Anfänge des Urban Gardening gehen in die 1970er Jahre zurück und waren friedliches, politisches Protestmittel gegen den zunehmenden Kapitalismus und den Verlust von Persönlichkeitsrechten, sowie gegen Krieg und Umweltverschmutzung. Die Aktivisten bewaffneten sich mit ungefährlichen Samenbomben und torpedierten damit staatliche Einrichtungen und öffentliche Plätze. Das hatte zur Folge, dass zwischen grauen Granitplatten bunte Blumen wuchsen oder an Gehwegen Sonnenblumen freundlich gen Himmel strebten. Inzwischen haben sich die Beweggründe verändert. Aus der einstigen, doch sehr links gerichteten Protesthaltung ist ein weitaus gemäßigter Ausdruck von einem bestimmten Lebensgefühl geworden. Ökologisch zu denken und zu handeln ist modern und hat sich längst in der Gesellschaft etabliert. Dennoch ist der Weg hin zu einem bewussten Konsum und Umgang mit Nahrungsmitteln auch immer noch eine Art von Protest.

Heute ist es eine Art von Widerstand gegenüber der Nahrungsmittelindustrie, die durch Massenproduktion oder Tierquälerei immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt. Neben der Symbolik zu ethischen oder gesellschaftlichen Werten steht Urban Gardening auch für eine Entschleunigung in unserem hektischen Alltag. Die Aufzucht von Gemüse ist ein stetiger und andauernder Prozess. Angefangen bei der Aussaat bis hin zur Ernte. Dies ist sicher sehr erfüllend und ganzheitlich. Das kommt den Menschen von Natur aus sehr entgegen und nicht dem Widerspruch: Auf Dauer oder einen unbestimmten Zeitraum ständig unter Strom zu stehen und von Ort zu Ort, Meeting, Event, Verpflichtung, Arzt, Anwalt; zu rennen. Gärtnern beruhigt die Seele und sorgt für einen befriedigenden Ausgleich. Vielleicht sind, das Gründe, warum auch “Städter“ die Liebe zum Gärtnern entdeckt haben.

Der Anbau verschiedenster Gemüsepflanzen ist relativ einfach und kann sehr gediegen, bzw. mit einfachen Mitteln umgesetzt werden. Als Pflanzbehältnis kann eigentlich alles verwendet werden, was sich mit Erde befüllen lässt und witterungsbeständig ist. Das können neben herkömmlichen Pflanztöpfen, dann auch Einkaufskörbe, Converse-Schuhe oder Kunststoffrohre sein. Das kann Duraus sehr kreativ sein – muss aber nicht.

Fotomontage: Aufmarsch der Monokulturen 2012 – Alle Rechte: Arno Kuss

So gesund und ursprünglich das Gärtnern in der Stadt auch scheinen mag. Ganz frei von Umweltgiften ist unsere Luft und Umgebung nicht – besonders nicht in Städten und viel befahrenen Gegenden. Wer also selbst angebautes Gemüse verzehren möchte, sollte darauf achten, einige Meter Abstand zur Straße einzuhalten und am besten den Gemüseanbau durch Hecken oder Gebüsche zu trennen. Diese Maßnahmen filtern die Luft und verringern den Anteil an schädigenden Schwermetallen. Es empfiehlt sich zudem auch bei selbst geernteten Früchten, diese immer vor dem Verzehr abzuwaschen und zu säubern. Der direkte Umgang mit Nahrungsmitteln und Einflüssen unserer industriellen Umgebung schult zugleich das Verständnis, was um uns herum passiert. Wie werden Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse für Supermärkte oder Discounter angebaut? Mit welchen Mitteln werden Monokulturen gedünkt oder im Wuchs gehalten um in genormten Formen, Größen und Farben gestapelt in den Containern aus Übersee zu uns verschifft zu werden? Wer Gemüse selbst anbaut – egal ob auf dem Land oder in der Stadt, man ist automatisch Teil eines natürlichen Kreislaufes.

Bildnachweis:
Titelbild – Urban Gardening CC0 Public Domain-Pixabay.com

2 Kommentare

  1. Sehr guter Artikel, lese hier schon länger und finde den Artikel mit dem Urban Gardening sehr interessant, würde gerne noch mehr Beispiele sehen.

  2. Vielen Dank Sabine. Wenn der Artikel allgemein Gefallen findet und auf Interesse stößt, steht einer tieferen Widmung der Thematik sicher nichts im Wege.

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